Psychische Erkrankungen
Depression
Allgemeine Eingrenzung
Von einer Depression betroffen bzw. depressiv zu sein - dies haben die meisten Menschen schon in ihrem Umfeld gehört. Allerdings ist es wichtig, zwischen einer schlechten Stimmung bzw. einer kurzfristigen Unlust und einer Depression im klinische Sinne zu entscheiden. Eine Verstimmung (Deprimiertheit) kann durch gute Ratschläge und Motivationsversuche möglicherweise gebessert werden, eine Depression allerdings nicht. Hier ist es oft sogar schädlich, den Betroffenen mit Aufmunterungen oder einfache Aktivierungsstrategien zu begegnen, denn dies weckt ihnen nur noch stärker das Gefühl, zu versagen und es nicht zu schaffen. Die klinische Depression dauert längere Zeit und hat mit Lebensereignissen, aber vielfach auch gewissen Persönlichkeitsstrukturen zu tun - für beides können die Betroffenen nichts. Es überschneiden sich ungünstige Gedankenmuster und Verhaltensweisen, die dazu führen dass die betroffene Person in ihrer Lebensführung (Aktivität vs. Passivität) und Lebensorientierung ('Sinnfrage') sowie im leiblichen Bezug (Körperbild und Selbstfürsorge) stark eingeschränkt sind. Depression hat viel mit dem Selbstbezug des Menschen zu tun. Meist sind depressive Personen übermäßig selbstkritisch und haben einen geringen Selbstwert, was zu geringerer Selbstwirksamkeit in der Handlungspraxis führt. Dies verstärkt wiederum die negativen Selbstattributionen - ein teuflischer Kreislauf. Eine negativistische Perspektive auf die Welt ist eine logische Folge und führt oft zu sozialen Schwierigkeiten bzw. einer sozialen Umgebung, die ähnliche Charakteristiken aufweist. Soziale Probleme sind aber nicht nur Resultat der Erkrankung, Depressionen stehen in einem ursächlichen Zusammenhang mit sozialen Verhältnissen. So fördern Armut und Not depressive Erkrankungen, ebenso auch traumatische Erfahrungen und Defizite in der Herkunftsfamilie (insbesondere elterliche Depressionen). Letztlich können aber auch spätere Ereignisse und Prozesse (z.B. intensives Mobbing und fehlende Anerkennung) zu Depressionen führen. Besonders bekannt ist heute die Diagnose Burnout - auch sie ist im Grunde eine spezielle Art von Depression (Überlastungs- bzw. Stressinduzierte Depression). Ein weiterer wichtiger Faktor, der Depressionen befördern kann, ist die andauernde Erfahrung von Entfremdung. Wir können uns von uns selbst, unseren Mitmenschen, von der Arbeit und unserer (natürlichen) Umwelt entfremden, wenn wir nicht mehr in dauerhafte und tiefe Beziehung treten (können), sondern nur noch oberflächliche und kurze Kontakte herstellen. Das Gegenüber, über das wir uns maßgeblich identifizieren, bleibt uns fremd, wir können es nicht mehr (leiblich) integrieren. Dies betrifft insbesondere auch emotionale Aspekte. Gefühlsdeprivation über längere Zeit macht uns stumpf und führt dazu, dass als "affektive Baseline" nur noch die in der Depression vorherrschenden Gefühle Angst und Trauer übrig bleiben. Angst, sich und der Umwelt fremd zu werden und Trauer darüber, wie es um eine*n steht. Doch selbst diese Gefühle werden in einer schweren Depression nicht mehr in Reinform gespürt - die drückende Erstarrung, welche als umfassende Entfremdung verstanden werden kann, führt zu einer leiblich-affektiven Paralyse. Übrig bleiben dann vielfach nur noch die negativen Gedanken. Die Rolle der Vererbung in der Herausbildung von Persönlichkeitsmerkmalen und in Folge auch von Krankheitsverläufen ist immer noch nicht endgültig geklärt. Anzunehmen ist eine gewisse genetische Determination - zumindest im Sinne einer Prädisposition zur Herausbildung von Charaktermerkmalen, wenn die Rahmenbedingungen in der Biographie dafür günstig sind. Ein 'depressiver Charakter' ist also kein Schicksal, allerdings vielleicht die verstärkte Möglichkeit einen solchen herauszubilden. Aspekte wie eine erhöhte Sensibilität und emotionale Tangierbarkeit - damit Verletzlichkeit -, die auch als Ressourcen gelten können, sind hier zu nennen. Jedenfalls aber hat die Depression einen engen Bezug zur Neurobiologie. Wie immer sind Psyche und Körper eng miteinanderverbunden, es kommt zu leiblichen Entwicklungsdynamiken, die u.a. dazu führen, dass gewisse Botenstoffe (Serotonin, Cortisol) zu viel oder zu wenig vorhanden sind. Hier kann ganzheitlich-leibtherapeutisch interveniert werden (der Körper ist unter günstigen Bedingungen prinzipiell stets fähig, diese Botenstoffe selbst zu produzieren). Allerdings ist auch das Drehen an der rein körperlichen Schraube der Biochemie mittels Psychopharmaka vielfach sinnvoll - insbesondere im Sinne einer supportiven Begleitung der Psychotherapie.
Symptomatik (Krankheitsmerkmale)
Das klassische Symptom der Depression ist eine andauernde gedrückte Stimmung. Wenn Sie depressive Menschen fragen, wie es Ihnen geht, werden sie wahrscheinlich meist negativ oder neutral, aber nicht positiv antworten. Es kann sein, dass die gedrückte Stimmung nach außen hin lange Zeit versteckt wird, um z.B. in Arbeit und Sozialleben weiter gut zu funktionieren. Sich implizit schuldig zu fühlen und sich zu schämen - weitere zentrale Aspekte der Depression - spielen hier hinein. Gefühle der Freude und (Aus-)Gelassenheit fehlen Menschen mit Depressionen jedoch weitgehend. Dies hat auch damit zu tun, dass eigentlich positives Erleben durch das negative Einordnungsschema gedämpft oder ganz unterdrückt wird, dass also Dinge, die evtl. früher einmal Spaß gemacht haben, nun farb- und freudlos erlebt werden. Depression ist dabei als Prozess zu verstehen, der sich selbst verstärkt. Durch die fehlenden (salutogenen) Reize, erhöht sich die Gefühlsarmut weiter. Die umfängliche Gefühlslosigkeit führt schließlich zu einem Verlust an Interessen und damit Sinn gebenden Momenten. Das spürende Wahrnehmen von einzelnen Lebensmomenten ist stark eingeschränkt und folglich wird die Erfahrung der Umwelt trist und uninteressant. Dies führt zu negativen Gedanken die Welt, die als schlecht oder böse wahrgenommen werden kann. Oder aber das Selbst wird in Relation zur Welt negativ dargestellt: Ich kann nichts, alle anderen schon. Relevant ist die Selbst-Referenzialität des depressiven Weltbezugs. Es ist nicht mehr möglich, ins Außen vorzudringen, da eine bestimmte Sicht und ein bestimmtes Fühlen der Innenwelt über dominant wird. Die Folge ist das dritte zentrale Symptom der Depression. Eine zunehmende Antriebslosigkeit, die sich auf immer mehr Aspekte des Lebens ausdehnt. Ist es zuerst nur ein Rückzug aus dem Sozialen, folgen dann Einschränkungen von Arbeits- und Leistungsfähigkeit, in letzter Instanz kommt es zu einer signifikanten Reduktion jeglicher Handlungsfähigkeit - einfache Tätigkeiten der Selbstpflege und -sorge werden unmöglich. Mit diesen Hauptsymptomen der Depression ist fast immer leibliche Symptomatik verbunden. Dazu gehören Störungen des Schlafrhythmus, der Regulation der Nahrungsaufnahme (Appetitverlust und 'Frustfresse'), der Konzentrationsfähigkeit und eine Vielzahl von psychosomatischen Beschwerden. Diese leibliche Dimension ist aus Sicht der integrativen Therapie besonders in den Vordergrund zu stellen, da sie nicht nur ein zentraler Faktor in der Aufrechterhaltung und Entstehung von Depressionen ist, sondern v.a. auch salutogenetische Schlussfolgerungen impliziert. Ein weiterer, bereits erwähnter, Komplex der 'Symptome' dreht sich um Schuld, Scham und Minderwertigkeitsgefühle. Diese sind vorherrschende Gefühle und Bewertungsmaßstäbe, was schließlich auch Handlungsmuster und Reaktionsformen von depressiven Menschen tangiert. Ein bisweilen aggressives und abwehrendes Verhalten von depressiven Menschen kann aus einer einseitig selbst-bezogen geprägten Wahrnehmung von sozialen Kontexten resultieren - die Welt wird durch die Brille von Kränkungen und Schuldgefühlen gesehen, Handlungen sind oft Schutzvorkehrungen, um Scham zu überwinden. Das Gefühl der Insuffizienz ist vorherrschender stiller Faktor in der Depression.
Therapieverlauf
Neben der klassischen Arbeit an den negativen Gedanken und Selbstbewertungsmaßstäben, die aus der kognitiven Verhaltenstherapie stammt, geht es in der ursächlichen Therapie der Depression stark um Fragen der Beziehungsgestaltung. Einerseits muss die therapeutische Beziehung als sicherer und Entspannung ermöglichender Raum wirken können. Dies sicherzustellen ist am Anfang einer Therapie der Depression immer von großer Bedeutung. Denn nur so wird es möglich, dass mit der Zeit einerseits die - meist biographisch zu suchenden - Ursachen für Depression Thema werden können und andererseits in der therapeutischen Sitzung (und in Folge auch zusehends im Alltag) alternative Erfahrungen zum depressiven Weltbezug gangbar werden. Es ist oft nicht möglich, unmittelbar auf Ursachen der Depression zuzugreifen, da Scham und Schuld sowie daraus resultierende Abwehrmechanismen im Vordergrund stehen. Deshalb muss - auf Basis der stabilen therapeutischen Beziehung - zuerst dieses Dickicht der depressiven Symptomatik durchschritten werden. Dabei spielen auch Übertragungsreaktionen eine große Rolle - der*die Therapeut*in erhält von dem*der depressiven Patient*in Zuschreibungen, die mit der 'depressiven Brille' (und letztlich oft auch Erfahrungen und Mustern aus der Vergangenheit) in Verbindung stehen. Diese Zuschreibungen werden systematisch aufgenommen und in bearbeiteter Form in die Beziehung eingebracht (Gegenübertragung). Es kommt so einer Lernerfahrung und mehr an Wissen über das Selbst und die depressiven Anteile. Zentral ist aber nicht nur diese eher verstandesorientierte Komponente, sondern auch die erlebnisorientierte Aktivierung und ein diesbezügliches Lernen. Denn letztlich sind Gefühlsarmut und Antriebsschwäche nicht alleine durch ein Wissen über sich selbst zu bewältigen, es bedarf realer Schritte der Veränderung. In der integrativen Therapie wird diesbezüglich an der eigenleiblichen Erfahrung (Körperzentrierte Übungen) angesetzt, sich selbst und die eigenen Emotionen wieder am eigenen Leib spüren zu lernen ist der erste Schritte für ein vergrößertes Gefühlsrepertoire und damit für die Möglichkeit eines Ausbruchs aus der depressiven Spirale. Hilfreich können weiters auch diverse kreative Medien sein, da sie alternative Wege der Selbsterfahrung und auch der Akzentuierung von Selbstwirksamkeit befördern.