Integrativer Zugang

Mein Zugang ist geprägt durch die Integrative Therapie. Sie versteht das Leben als einen Prozess, ein (zeitliches) Kontinuum in einem Kontext, der sozial und natürlich geprägt ist. Im Wechselspiel von Kontext und Kontinuum entwickeln wir Menschen uns individuell unterschiedlich, es geht allerdings generell darum, das Verhältnis zu sich selbst und zu anderen Menschen in Ausgleich zu bringen (der Fachbegriff hierfür ist Ko-Respondenz). Ein gesunder Mensch korespondiert in diesem Sinne mit sich selbst und seiner Umwelt, ist in einem Zustand der Selbst-Regulierung und kann so auch auf potentielle schwierige Veränderungen am Lebensweg resillient reagieren. Krankheit wird weniger im Sinne eines einfachen mechanischen Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs verstanden, sie ist Ausdruck von schädigenden Ereignissen, sozialen Bezügen und Atmosphären, die sich über die Zeit verfestigen und uns so unserer Resillienz berauben. Wir entwickeln pathogene Muster und Stile, die zu unterschiedlichem Grade unseren Ausdruck, unser soziales Leben und unsere Persönlichkeit beeinträchtigen. Genauso wie Krankheit ein Prozess ist, lässt sich auch Gesundheit als Entwicklung verstehen: es gibt neben krank machenden (pathogenen) Effekten auch Gesundheit fördernde (salutogene) Einflüsse. Therapie ist nicht nur die Beschäftigung mit pathogenen Einflüssen, es geht maßgeblich darum, salutogene Einflüsse zu sehen und zu stärken. 

Der integrative Ansatz ist ganzheitlich und leiborientiert. Das hat nichts mit Esoterik zu tun. Es geht darum, zu sehen, dass wir nicht nur Körper und Geist, sondern als leibliche Wesen immer beides zugleich sind. Der Geist beeinflusst den Körper und umgekehrt können wir nur bei uns selbst sein, wenn wir auf unseren Körper hören. Die Integrative Therapie versteht den Mensch als Leib-Wesen, also auch bestimmt durch Wahrnehmungsraster, die über das bewusste, kognitive Denken hinausgehen. Wir verarbeiten auf diese Weise Informationen allerdings nicht nur individuell, sondern auch in der Interaktion mit Mitmenschen, durch Kontakte, Begegnungen und Beziehungen. Diese sogenannte 'Zwischenleiblichkeit' spielt eine Rolle in der sozialen Interaktion und bildet sich in unseren leiblichen Strukturen (z.B. im Nervensystem, in Verspannungen und körperlichen Schmerzen) ab. Die besondere Relevanz der Psychosomatik bei psychischen wie auch physischen Leiden unterstreicht diesen Ansatz. Aber auch neuere Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften erweisen, dass körperliche Muster für viele psychische Leiden genauso relevant sind wie ungünstige gedankliche Schemata. Therapie ist dann am wirksamsten, wenn sie an beiden Punkten zugleich ansetzt und die Integration von Ich (kognitive Anteile), Selbst (hinzukommende Affekte) und Leib (Repräsentation von Ich und Selbst im bzw. mit dem Körper) befördert.  

Es gibt viele Wege, um in diesem Sinne zu einem regulierten Leib-Selbst zu gelangen. Kreative Medien sind eine gute Möglichkeit um im Moment neue Erfahrungen zu machen und Entwicklungen anzustoßen. Dazu gehören z.B. Arbeiten mit Ton, malerischer Gestaltung und auch Musik. Auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körperausdruck und (schau-)spielerische Inszenierungen können in der Therapie positive Effekte erzielen. Natürlich sind für die Integrative Theorie der Verstand und die bewusste, sprachliche Auseinandersetzung mit Themen ein wichtiger Faktor auf dem Weg der Besserung: ohne einem Verständnis der eigenen Muster und (vielleicht noch schwieriger) dem Akzeptieren von deren Implikationen ist keine Veränderung möglich. Von großer Bedeutung ist schließlich der eigentliche Leibbezug: das Verstehen des je individuellen Zusammenhangs von Körper, Seele und Geist. Dies drückt sich in der Arbeit mit Somatisierungen, körperlichen Blockaden und spezifischen leiblichen 'Stilen' (Bewegungen, Haltungen, Fokussierungen) aus. Die große Breite methodischer Zugänge erwächst aus dem integrativen Anspruch: aus verschiedenen 'Schulen' (insbesondere Tiefenpsychologie, Psychodrama, Gestalttherapie,  dritte Welle der Verhaltenstherapie) werden Techniken übernommen und in einem synthetischen Rahmen zusammengefügt. 

Integrative Therapie ist kein eklektisches Sammelsurium verschiedener Techniken, sondern beruht auf einer fundierten (Meta-)Theorie und einem bestimmten Menschenbild. Die Theorie hinter der Integrativen Therapie ist eine komplexe und ändert sich auch laufend (unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Psychotherapieforschung). Sie ist die Basis für die therapeutische Praxis, für Sie als Klient*in jedoch wahrscheinlich weniger interessant - Ihre Wünsche und Ziele und nicht die 'Wissenschaft dahinter' dürfen im Vordergrund stehen. Bedeutsam ist für Sie vielleicht das Menschenbild. Dieses versteht sich als kritisches und prozessorientiertes. Dies bedeutet in erster Linie, dass nicht von einer idealen Vorstellung über den Menschen ausgegangen wird (z.B. dass der Mensch gut oder böse, rein durch die Triebe oder den Verstand bestimmt ist oder sich alles auf Sprache reduzieren ließe). Der Mensch ist in seiner je individuellen Entwicklung zu erfassen. Es sind soziale, aber auch biologische Hintergrundfolien, die diese Entwicklung prägen. Zentral ist dabei die Gesellschaft in der wir leben. Die Sozialwissenschaft hat gezeigt, dass Strukturen unserer hoch beschleunigten, konkurrenz- und profitorientierten und technisierten Gesellschaft zu multiplen und schwerwiegenden Entfremdungserfahrungen führen können. Der Mensch fühlt sich mit sich selbst, der Natur und den Mitmenschen nicht mehr in Einklang, es kommt zu einer Disintegration des Selbst und folglich auch einer gespürten misslingenden Regulation. In der Psychotherapie kann die Gesellschaft nicht verändert werden, allerdings ist es wichtig, zu sehen, dass die Ursachen menschlichen Leidens vielfach nicht nur individueller Herkunft sind. Zugleich ist es auf einer individuellen Ebene möglich, positive Selbst- und Weltbezüge zu stärken und sich letztlich zu einer besseren Integration des Leib-Selbst hinzuentwickeln. 

4 Wege der Heilung und Förderung in der integrativen Therapie


In der integrativen Therapie wird davon ausgegangen, dass es vier Dimension der Heilung bzw. Besserung gibt, die in der Psychotherapie eine Rolle spielen. 

  1. Bewusstseinsarbeit und Einsicht
    Dieser klassische Weg der Heilung ist den meisten Menschen bekannt, er wird stark mit der Psychoanalyse assoziert. Auf der Couch liegend und erzählend wird die Tiefe der Psyche im Dialog mit dem*der Therapeut*in ergründet. Es geht dabei darum, sich selbst in der Welt und der eigenen historischen Gewordenheit (Kontext und Kontinuum)  zu verstehen. Methoden die hier zum Einsatz kommen sind v.a. die Reflexion, Deutung und die Problemdiskussion. Der*die Therapeut*in ist in der Integrativen Therapie allerdings nicht die allwissende Erkenntnisinstanz, die Deutung 'gibt', Deutung soll gemeinsam im Austauschprozess mit dem*der Klient*in entstehen - Sie liegen also in der Regel auch nicht auf der Couch, sondern begegnen dem*der Therapeut*in ebenbürtig.
  2. Nach- und Neusozialisation 
    Bei diesem Weg der Heilung geht es weniger um kognitive als um emotionale Dimensionen. Davon ausgehend, dass im Entwicklungsweg des Menschen Defizite vorliegen, versucht Therapie durch die therapeutische Beziehung und bestimmte (länger andauernde) systematische Interventionen psychische Strukturen (wieder-)herzustellen, die für uns von zentraler Bedeutung sind und unsere Persönlichkeit ausmachen - das Grundvertrauen, der Selbstwert, die emotionale Regulation und die Fähigkeit (empathisch) in Beziehung zu gehen. Vielfach geht es darum, emotionale Stile durch korrigierende Erfahrungen zu verändern bzw. sie neu zu bewerten. 
  3. Erlebnis- und Ressourcenaktivierung
    Hier zielt Therapie darauf ab, Ressourcen zu stärken oder neu zu entwickeln. Dies dient der Ausprägung der Persönlichkeit, kann aber auch in schwierigen Situationen die Resillienz fördern. Expression in der Therapie zu üben kann helfen, sie auch im Alltag stärker leben zu können, was wiederum die Vitalität, Neugierde und Wahrnehmungsfähigkeit verbessert und zu einer Änderung des Lebensstils führen kann. 
  4. Solidaritätserfahrung und Unterstützung 
    Manchmal ist es bereits heilsam, dass jemand wirklich da ist. Die therapeutische Beziehung ist insofern speziell, als sie es ermöglicht, bedingungslose Solidarität und empathische Unterstützung durch den*die Therapeutin zu erfahren. Der Raum der Therapie soll Souveränität stärken, indem er es ermöglicht aus sich heraus zu gehen (Exzentrizität) und dennoch gehalten zu werden. Die therapeutische Unterstüzung kann auch implizieren, dass ein Netzwerk geschaffen bzw. aktiviert wird, dass weitere Unterstützung bietet.

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